Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.03.2013, Nr. 75, S. 26
Hochkaräter per Mausklick
Nach Erfolgen in Amerika versuchen sich Diamantenhändler auch in Deutschland im Internet. Das lockt vor allem Investoren. Statt auf Romantik setzen sie auf eine relativ sichere Kapitalanlage.
Es mag mit Romantik nicht mehr viel zu tun haben: Immer mehr Diamantenkäufer halten im Internet Ausschau nach kostbaren Steinen, ob für einen Verlobungsring oder ganz nüchtern als Geldanlage. In den Vereinigten Staaten hat sich der Online-Handel bereits etabliert. Nun versuchen sich auch Pioniere in Deutschland in diesem Geschäft. Anders als für Edelmetalle wie Gold oder Silber existiert für Diamanten kein eindeutiger Preis. „Jeder Diamant ist anders“, erklären die Händler. Das galt in der Vergangenheit als Hauptgrund, weshalb sich die Steine nicht in einer standardisierten Form vermarkten lassen – und weshalb sich die Branche lange Zeit erfolgreich gegen Wettbewerb und Markttransparenz zur Wehr setzen konnte.
„Diamanten sind letztlich eine Ware wie jede andere auch“, sagt Ulf Breede. Der 75 Jahre alte Diamantenfachmann aus Berlin führt in vierter Generation ein Juweliergeschäft. Vor zwei Jahren gründete er zusätzlich eine Plattform für den Internethandel. Heute erzielt er etwa die Hälfte des Umsatzes im Netz. Den modernen Vertriebskanälen dürfe man sich nicht verschließen, sagt Breede. Zu seinen Konkurrenten gehören Unternehmen wie Renésim oder Yorxs in München. An Renésim, ebenfalls ein traditionsreicher Juwelier, hält seit kurzem das Medienhaus Condé Nast einen Anteil von 46 Prozent. An Yorxs hat sich ein Hedgefonds beteiligt.
Ihre Vorbilder finden die Unternehmen in den Vereinigten Staaten, wo der börsennotierte Online-Händler Blue Nile im vergangenen Jahr einen Umsatz von 400 Millionen Dollar und einen Nettogewinn von 8,4 Millionen Dollar verbucht hat. Branchenfachleute stellen das Unternehmen damit in eine Reihe mit dem legendären Schmuckkonzern Tiffany’s. Solche Zahlen auch in Deutschland oder in Europa zu erreichen wird jedoch schwierig sein. Die Vereinigten Staaten sind der größte Diamantenmarkt der Welt.
Die Internethändler greifen auf das Angebot von Großhändlern und Schleifern aus aller Welt, vor allem aus Belgien, Israel, den Vereinigten Staaten und Indien, zu. Bei Breede beispielsweise können Nutzer aus 125 000 Diamanten aussuchen, Renésim wirbt mit 250 000 Diamanten, darunter auch seltene farbige Steine. Insgesamt dürften sich bis zu 900 000 Diamanten im Internet finden lassen. „Die Preise im Internet liegen manchmal um mehr als 50 Prozent niedriger als im stationären Handel“, sagt Yorxs-Chef Casimir Graf Maltzan. Der Grund: Ladenmieten und eine teure Lagerhaltung entfallen. Oft bleiben auch Zwischenhändler außen vor.
Eigentlich ist der Diamantenbranche seit jeher wenig an Preistransparenz gelegen. Der einstige Monopolist De Beers beispielsweise bietet Rohdiamanten nur einem ausgesuchten Abnehmerkreis in verschlossenen Schächtelchen zu einem festgesetzten Preis an. Das Internet aber hat nicht nur Preisinformationen leichter zugänglich gemacht. Die Online-Händler haben auch ein Interesse daran, möglichst viele Informationen über Steine und die Preisfindung preiszugeben, um bei einem Vergleich mit stationären Juwelieren punkten zu können. So richteten sich die Preise früher grob nach den vier „C“: der Größe (Carat), Farbe (Colour), dem Schliff (Cut) und der Reinheit (Clarity). Heute nennen die Anbieter im Internet mindestens vier weitere Kriterien wie Politur, Symmetrie, Fluoreszenz und das Zertifikat eines anerkannten Instituts.
Solche Informationen schätzen vor allem Investoren, die Diamanten als Geldanlage in unsicheren Zeiten sehen. Die Auswahl im Internet erleichtere die Zusammenstellung eines diversifizierten Anlageportfolios, erklärt Breede. Statt sich ein oder zwei Hochkaräter in den Safe zu legen, rät er zum Kauf mehrerer Steine mit sehr unterschiedlichen Merkmalen. Das erhöhe die Chancen, zumindest für einige der Schätze wieder Käufer zu finden.
Die Schwierigkeiten beim Wiederverkauf gelten ohnehin als Grund, weshalb risikoscheue Anleger zwar angeblich immer öfter Diamanten in Betracht ziehen, aber die Steine trotzdem noch nicht dem Gold seinen Rang als „sicherer Hafen“ streitig machen können – obwohl sie auf winzigem Raum einen enormen Wert vereinen und leichter zu transportieren und zu lagern sind. Breede beispielsweise hat darauf mit der Gründung einer Online-Börse reagiert. Auf dieser können Privatleute untereinander mit Diamanten handeln, wobei der Juwelier berät und eine Qualitätskontrolle bietet. Er gibt aber zu, dass sich sein „Mini-Ebay“ für Diamanten erst noch etablieren müsse.
Investoren dürften in der aktuellen Marktlage eher an Diamanten festhalten. Die Wirtschaftskrise in Europa und in den Vereinigten Staaten haben die Preise gedrückt. Marktführer De Beers prognostizierte in diesem Jahr nur einen moderaten Anstieg. Auf lange Sicht jedoch deutet vieles auf steigende Diamantenpreise hin. Die Fachleute verweisen auf eine immer stärkere Nachfrage in Indien und China. Dort gab es bisher nicht die Tradition, Diamanten zu besonderen Anlässen zu verschenken. Seit Jahrzehnten haben die Minenkonzerne außerdem keine neuen Kimberlit-Schlote, die Lagerstätten für Diamanten, mehr gefunden. Das Angebot könnte knapp werden, wenn auch erst in ferner Zukunft. Diamantenanleger können über das Internet zwar schnell fündig werden. Bis zur Realisierung einer Rendite aber müssen sie trotzdem Geduld aufbringen.
Quelle: http://fazarchiv.faz.net/document/showSingleDoc/FAZ__FD1201303303835740
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